Eine 1300er steht nicht unbedingt im Verdacht, schmalbrüstig zu sein. Und im Fall der CB absolut zu Recht: In aller Regel genügt im größten Gang ein leichter Dreh am rechten Griff, um die erforderliche Beschleunigung nachdrücklich herbeizuführen. Wenn es mal etwas schneller gehen soll, dreht man halt ein wenig weiter auf, und der Wille zum Vortrieb wird vollständig befriedigt. Ich liebe das: hoch wirksam, aber unspektakulär, und gerade wegen dieser Beiläufigkeit einfach unglaublich souverän.
Mehr Schub ist bei vorausschauender Fahrweise nicht wirklich nötig. Nur wenn man ehrgeiziger wird, z.B. auch mal knapper überholt, kann der fünfte Gang – selten – einmal nicht ausreichen, und es wird notwendig, die Sporen anzulegen.
- Dann schalte ich einmal herunter. -
Schon diese kleine Übersetzungsänderung lässt beim Gasgeben die Arme lang werden, der Motor dreht etwas höher und schiebt knurrend so deutlich voran, dass einem rasch die Straße ausgehen kann. Zumindest auf den von mir bevorzugten kurvigen Landstraßen. Da ich schließlich keinen Sportler fahre, genügen mir diese Möglichkeiten vollständig, ohne dass auch in schnellen Gruppen irgend jemand jemals auf mich warten müsste.
Allenfalls bei sehr forcierter Fahrweise kann es ausnahmsweise einmal vorkommen, dass ich NOCH schneller beschleunigen möchte, z.B. wenn der Überholte Gas gibt und vielleicht der Gegenverkehr auch noch.
- Ich schalte dann vom Fünften zweimal herunter. -
Wahnsinn. Der fauchende Motor lässt Jugendmythen wahr werden: So muss es sein, wenn Kara Ben Nemsi seinem hochedlen arabischen Rapphengst „Rih“ die Hand zwischen die Ohren legt. Oder wenn Commander Cliff Allister McLane ruft „Schlafende Energie frei“, um dem interstellaren Raumschiff Orion Höchstleistungen abzuverlangen. Der gefühlte „Tritt von hinten“ hebt spürbar das Vorderrad an und verlangt nach kräftiger Hand, um gebändigt zu werden. Diese Leistung liegt weit jenseits jeglichen Bedarfs! Fast bin ich froh, dann wieder hochzuschalten, Gas wegzunehmen und zu spüren, wie die Aufregung nachlässt.
Ok. Aus dem Bewusstsein dieses unendlichen Leistungsangebots erwächst große Gelassen¬heit. Stolz fahre ich CB-1300, mehr braucht nun wirklich kein Mensch. Und doch: Ist uns das stete Streben nach „Mehr“ nicht allen in die Wiege gelegt? Zumindest den Männern? Die Neugier, Grenzen auszuloten und wo möglich auch zu überschreiten? Ja, ich bekenne: Auch mich hat dieser Stachel getrieben. Und zwar vor einem guten Monat in Südfrankreich.
Zusammen mit fünf CBF-1000-Treibern war ich in den Seealpen unterwegs, nette Leute, beim Rhein-Main-Stammtisch kennengelernt in meiner vierjährigen Zeit mit diesem Modell. Dabei war auch die neu erworbene GoPro-Action-Cam, auf dieser Fahrt erstmals nach hinten gerichtet. Ich fuhr also vorn und nahm die Mitfahrer auf, die sich alsbald wie eine hechelnde Meute junger Hunde hinter meinem Heck drängelten, um auch ja auf den Film zu kommen.
Einsame Landschaft. Bestes Wetter. Toller Grip. Vor uns ein langes gerades Stück leicht bergauf, völlig frei. Wir sind schon durchaus zügig unterwegs. Da reitet mich der Teufel: Fies für die Mitfahrer, aber es musste einfach sein. Ich rolle die Schultern, drücke den Rücken durch, atme nochmal durch und lehne mich weit nach vorn.
- Voll Bosheit schalte ich dreimal herunter und ziehe voll am Gas. -
Ja, es ist Irrwitz. Materialmordend, benzinverschleudernd, reifenkillend. Und ohne Vorankündigung natürlich absolut unfair gegenüber der aus meiner Perspektive geradezu erstarrenden Gruppe. Die Akra-Anlage hindert den Motor kaum daran, seine Kraft hinaus in die staunende Bergwelt zu brüllen. Mein Gesicht verzerrt sich wie in diesen Sciencefiction-Szenen brachialster Raketenstarts und klebt von innen an der Scheibe des Helms, der dieser Beschleunigung kaum folgen kann. So verewigt sich mein fettes Grinsen, das sich auch jetzt beim Schreiben wieder unwiderstehlich breit macht.
Schade, dass es so schnell vorbei ist. Was bleibt zurück? Nicht nur die CBFler, rasch nur noch helle Pünktchen im Rückspiegel. Sondern auch ein Gefühl tiefer Demut und Dankbarkeit, so etwas erleben zu dürfen. Wäre mein Charakter weniger gefestigt, könnten derlei Eskapaden süchtig machen. Das ist natürlich keinesfalls weiter zu empfehlen, in etwa so unvernünftig wie barfuß zu fahren, aber ebenso wie dieses einfach endgeil! Und daher musste ich das mal hier festhalten, zur Ergötzung, zur Entrüstung, ganz wie ihr wollt.
Gruß aus Offenbach
Mike